11. Soziale Unterstützung
Soziale Unterstützung (11)
Resilienz stellt nicht allein einen Faktor dar, der sich auf die eigene Person und Wahrnehmung bezieht, sondern ist sozial verankert:
Das Konstrukt „Soziale Unterstützung“ […] wird heute als Sammelbegriff für verschiedene Formen der sozialen Interaktion gebraucht, die zum Ziel haben, eine der involvierten Personen zu unterstützen […] Qualitativ werden unterstützende Interaktionen in die Bereiche emotionale/psychologische, praktische/instrumentelle und informationelle Unterstützung unterteilt. Unter emotionaler (psychologischer) Unterstützung versteht man Zuwendung, Trost, Verständnis, Aussprache, aber auch die Vermittlung eines Gefühls von Zugehörigkeit und Rückhalt. Praktische (instrumentelle) Unterstützung besteht in konkreten alltäglichen Hilfen oder der Bereitstellung finanzieller oder Sachmittel. Mit informationeller Unterstützung ist die Zurverfügungstellung von Informationen bzw. konkreten Hinweisen zur Problemlösung gemeint (Bengel / Lyssenko, 2012, 83).
Soziale Bindungen und soziale Unterstützung sind für die Aufrechterhaltung der Gesundheit und einer gesunden zwischenmenschlichen Interaktion wichtiger als angenommen. Auch Suizidabsichten können durch die Einbindung in ein soziales Netzwerk deutlich reduziert werden. Fehlende soziale Bindungen führen zu negativen Auswirkungen auf physischer und psychischer Ebene. Außerdem steht dieser Faktor in Wechselwirkung mit den Resilienzfaktoren.
Soziale Unterstützung kann zum einen gewissermaßen als ‚Schutzschild‘ gegen Belastungen fungieren. Eine adäquate soziale Integration in ein funktionierendes Netzwerk kann potenzielle und reale Belastungen von einer Person fernhalten […] Zum anderen zeigt sich ein positiver Zusammenhang von sozialer Unterstützung und psychologischen Variablen, die vor psychischer Belastung schützen. Dazu gehören neben positiven Emotionen im sozialen Kontakt auch ein stabiles Selbstwertgefühl, eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung sowie hohe Kontrollüberzeugungen […] Daneben spielt auch das Gesundheitsverhalten eine bedeutsame Rolle […]“ (Bengel / Lyssenko, 2012, 83).
Die Liste – ein Roman von John Grisham (2004) als Ausdruck „Sozialer Unterstützung“ (11)
John Grisham schrieb 2004 den Roman Die Liste der u. a. vom Zeitungsgeschäft handelt und davon, eine in Schieflage geratene Zeitung neu zu positionieren. Die Liste erzählt die Geschichte von Willie Traynors, der 1967 sein Journalismus-Studium abbricht, um in Clanton, im Süden der USA, eine Lokalzeitung zu übernehmen. Traynor gelingt es, die Zeitung erfolgreich zu machen, vor allem durch die ausgiebige Berichterstattung lokaler Ereignisse. So schreibt er Artikel über regionale Themen, Nachrufe auf Einheimische, Menschen- und Kirchenporträts usw. Zäh und mit Ausdauer gelingt es ihm, die Zeitschrift zu etablieren. Dies bildet die Rahmenhandlung, in die ein Kriminalfall eingebettet ist, der für beträchtliche Spannung sorgt. Hier interessiert uns das Zeitungsgeschäft. (Vgl. zum Inhalt: https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Liste_(Roman). Bzw. kritisch dazu: https://www.krimi-couch.de/titel/2760-die-liste/)
Zitate
"Das System funktionierte, weil Richter und Geschworene unparteiisch und unvoreingenommen waren. Wenn es Lucien Wilbanks und den Padgitts gelang, den Prozess zu korrumpieren, würde das einen nicht wieder gutzumachenden Schaden anrichten." Die Liste (John Grisham)
"Man fragte einen der Zwillinge nach »dem kleinen, flachen Ding, das in den Dichtungsring an der Spitze von diesem Stangending geschraubt wird, das in diesen Apparat passt, mit dem man die Toilette abzieht«. Der Zwilling verschwand zwischen den andeutungsweise organisiert wirkenden Stapeln von Artikeln und kam nach ein paar Minuten mit dem gewünschten Teil zurück. Im Bargain City konnte man solche Fragen nicht stellen." Die Liste (John Grisham)
Resilienz-Faktoren
Resilienz-Faktoren lassen uns beim Lesen erkennen, dass jeder Text ein Teil unseres Lebens sein kann. Ein Roman spiegelt eine Erfahrung oder eine Lebenswirklichkeit und drückt sie so aus, dass wir sie „lesend“ verstehen oder nachvollziehen und wiedererleben können. Romane bergen Resilienz-Faktoren, lassen sich aber auch auf einen wesentlichen Faktor reduzieren.
In Grishams Roman ist es der Faktor Soziale Unterstützung (11). Aber auch Coping (8) und Hardiness (10) könn(t)en genannt werden.
Ich habe mich hier für Soziale Unterstützung (11) entschieden, weil der Protagonist als jemand in eine Kleinstadt kommt, der dort niemanden außer seine Tante kennt und der im Laufe der Jahre viel Unterstützung von anderen erfährt ein fester Bestandteil der Gemeinschaft wird und sich lokal einen Namen machen kann. Er hätte all das nicht erreicht, wenn er sich für ein Einzelgängerdasein entschieden hätte. Traynor wurde in die Community aufgenommen und durch seine Zeitungsarbeit als Chronist in der Gemeinde zu einer festen Größe. Ganz nebenbei brachte er es zu Ansehen, Ruhm und Wohlstand.
Für die Handlung – und damit auch für die Lesenden – ist Soziale Unterstützung (11) ganz wesentlich und von besonderer Bedeutung. Traynor erfährt solche, sodass er Belastungen abfedern, ein stabiles Selbstwertgefühl aufbauen und es erhalten kann. Damit einher gehen weitere Resilienzfaktoren, die hier nur kurz angesprochen seien, um dem Lesenden zur eigenen Lektüre des Romans anzuregen.
Optimismus (2)
Was zeichnet Willie Traynor aus? Vor allem Optimismus (2): „Optimistische Menschen erleben aufgrund ihres aktiveren Bewältigungsverhaltens weniger negative Lebensumstände und erhalten mehr soziale Unterstützung (Hoyer 2000, in: Bengel / Lyssenko, 2012, 49).
Hoffnung (3)
Dazu kommt Hoffnung (3) als positiver Copingfaktor im Sinne von Kampfgeist. Schicksalsschläge werden nicht nur akzeptiert, sondern aktiv angegangen.
Selbstwirksamkeitserwartung (4)
Selbstwirksamkeitserwartung (4) ist ein Schutzfaktor, der darauf abzielt, die eigenen Erwartungen, Anforderungen und Hindernisse mit den vorhandenen Ressourcen zu bewältigen. Sie ist eine positive Einschätzung der Fähigkeit, Krisensituationen selbstbestimmt zu meistern. Ihr liegt eine optimistische Sichtweise zugrunde. Potenzielle Stressoren werden als Herausforderungen gesehen und es wird eine aktive und problemorientierte Bewältigungsstrategie eingesetzt, um Rückschlägen oder Hindernissen mit größerer Ausdauer zu begegnen. Hand in Hand geht dies mit Selbstwertgefühl (5), Kontrollüberzeugung (6) und Kohärenzgefühl (7).
Hardiness (8)
Hardiness (8), das mit Engagement (commitment), Kontrolle (control) und Herausforderung (challenge) einhergeht, wirkt sich im Romangeschehen positiv aus. Hardiness kann Arbeitsbelastung und traumatische Erlebnisse positiv beeinflussen und bei schwerwiegenden Ereignissen schützend wirken. Das trifft auf die belastende Situation des Protagonisten im Roman zu. Es gelingt ihm, diese Ausnahmesituationen des Aufbaus im Zuge einer Zeitung zu bewältigen.
Coping (10)
Der Begriff „Coping“ (aus dem Englischen „to cope with“ = bewältigen, überwinden) meint die Bewältigung von Stress oder kritischen Lebensereignissen. „Als problemorientierte Copingstrategien werden aktive Problemlösungsansätze sowie die Suche nach praktischer Unterstützung und Hilfe bezeichnet“ (Bengel / Lyssenko 2012, 78). Zu Coping gehören: Planung und Unterdrückung von konkurrierenden Aktivitäten, positive Neubewertung und Wachstum, Zurückhaltung, soziale Unterstützung, Religion, Humor, Emotionalisierung, Verweigerung, Rückzug, Akzeptanz usw. Das sind Aspekte, die der Entwicklung einer Strategie zur Vermeidung und Beeinflussung bestimmter Lebens- und Krisensituationen dienen mit dem Ziel, sie zu bewältigen.
Weitere Möglichkeiten, Anregungen und Überlegungen sind aus dem Roman ableitbar und als Resilienz-Strategien nutzbar zu machen. Der Roman ist damit noch lange nicht ausgeschöpft. Er kann als Vorbild für das Zeitungsgeschäft dienen, wenn in ihm eine Resilienz-Strategie erkannt wird.
Zeitung neu erfinden? Resilienz-Strategie: „Soziale Unterstützung“ (11)
Eine Resilienz-Strategie wie „Soziale Unterstützung“ (11) kann als Möglichkeit gesehen werden, eine Zeitung tragfähig zu machen, wie im Roman Die Liste von John Grisham.
Was macht eine Lokalzeitung, die eine Stadt repräsentieren will, aus? Antwort: Ihr Lokalkolorit.
Geht es doch darum, die Neuigkeiten der hiesigen Vereine, die Besonderheiten der Bürgerinnen und Bürger, die Schulen und die lokale Politik mit all ihren Unzulänglichkeiten und Schwächen so abzubilden, dass ein lebendiges Bild der Stadt und ihres Soseins entsteht, welches vielgestaltig, kontrovers, aber auch heimatlich vertraut bleibt. Anders gesagt: Wer liest nicht gerne seinen Namen in der Zeitung? Und ist dies nicht auch eine (kleine) Auszeichnung dafür, etwas für die Gemeinschaft geleistet zu haben? Große Politik, Kultur und Zeitgeschehen haben ihre Aufmerksamkeit. Wer bietet die Plattform für die „einfachen“ Leute?
Eine Zeitung zu nutzen, um für die Community da zu sein, und zwar vor Ort, ist Aufgabe einer Zeitung und kann als Strategie erfolgreich Leserschichten ansprechen selbst über „Zeitungskrisen“ hinaus. Grundlage ist das soziale Miteinander, sprich die Aktivierung der „Sozialen Unterstützung“ (11). Das gelingt, wie Grisham zeigt, den Zeitungsmachern durch ihr echtes Interesse am Lokalkolorit.