3. Hoffnung
Resilienz Faktor: Hoffnung (3)
Hoffnung impliziert einen zu erfüllenden Wunsch. Um diesen zu erreichen wird eine aktive Bewältigungsstrategie angewandt. Vergänglichkeit oder Ausweglosigkeit können so in ihrer Sinnhaftigkeit erkannt und hingenommen werden, ohne dagegen ankämpfen zu müssen. Beispielsweise werden Krankheiten unter dem Aspekt der Hoffnung als weniger belastend empfunden.
In der Resilienz- und Schutzfaktorenforschung wurde das Konstrukt Hoffnung vorwiegend im Zusammenhang mit chronischen Stressoren aufgegriffen. Bereits in Studien, die vor 1998 veröffentlicht wurden, zeigte sich ein positiver Zusammenhang zwischen Hoffnung und Krankheitsbewältigung […] (Bengel / Lyssenko, 2012, 51).
Hoffnung hat schützende Wirkung, die mit einer positiven Copingstrategie (Kampfgeist) verbunden sein kann. Darüber hinaus führt sie als präventives Verhalten dazu, dass Schicksalsschläge nicht nur akzeptiert, sondern sogar aktiv angegangen werden. Mit einer aktiven, hoffnungsvollen Grundhaltung sind Ziele leichter zu erreichen und Stressoren besser auszugleichen oder zu integrieren.
Beispiel für Hoffnung (3): Es ist alles eitel (1637)
Andreas Gryphius schreibt um 1637 das Gedicht: Es ist alles eitel. Er trifft damit den Nerv der Zeit, denn der Dreißigjährige Krieg wütete und vernichtete sämtliche Hoffnung auf etwas, das bleiben, das überdauern ober beständig sein könnte. 1618 bis 1648 waren Jahre der Auflösung und der Zerstörung.
Andreas Gryphius: Es ist alles eitel.
Du siehst, wohin du siehst nur Eitelkeit auf Erden.
Was dieser heute baut, reist jener morgen ein:
Wo itzund Städte stehn, wird eine Wiese sein
Auf der ein Schäferskind wird spielen mit den Herden:
Was itzund prächtig blüht, soll bald zertreten werden.
Was itzt so pocht und trotzt ist Morgen Asch und Bein
Nichts ist, das ewig sei, kein Erz, kein Marmorstein.
Itzt lacht das Glück uns an, bald donnern die Beschwerden.
Der hohen Taten Ruhm muß wie ein Traum vergehn.
Soll denn das Spiel der Zeit, der leichte Mensch bestehn?
Ach! was ist alles dies, was wir für köstlich achten,
Als schlechte Nichtigkeit, als Schatten, Staub und Wind;
Als eine Wiesenblum, die man nicht wiederfind´t.
Noch will was ewig ist kein einig Mensch betrachten!
In der Tat geht es explizit um den Vanitas-Gedanken, also um den leeren Schein, um Nichtigkeit und Eitelkeit. Thematisiert wird die Vergänglichkeit, die in dem Ausspruch: „Es ist alles eitel“ gipfelt, was so viel meint wie: Alles ist nichtig.
Gryphius greift Gedanken des Alten Testaments auf und kommentiert durch sein Gedicht Prediger 1,2: Alles ist eitel. Darin heißt es:
2 Es ist alles ganz eitel, sprach der Prediger, es ist alles ganz eitel. 3 Was hat der Mensch für Gewinn von all seiner Mühe, die er hat unter der Sonne? 4 Ein Geschlecht vergeht, das andere kommt; die Erde aber bleibt immer bestehen. [...] und es geschieht nichts Neues unter der Sonne. [...] 17 Und ich richtete mein Herz darauf, dass ich lernte Weisheit und erkennte Tollheit und Torheit. Ich ward aber gewahr, dass auch dies ein Haschen nach Wind ist. 18 Denn wo viel Weisheit ist, da ist viel Grämen, und wer viel lernt, der muss viel leiden. (Nach: www.bibleserver.com/LUT/Prediger1)
Und doch findet sich in dieser Hoffnungslosigkeit programmatisch der Satz: „die Erde aber bleibt immer bestehen“; ein Gedanke, den auch Gryphius zu würdigen weiß. Andreas Gryphius beklagt zwar die Eitelkeit derjenigen, die auf Beständigkeit setzen, doch er hebt die Möglichkeit des Ewigseins hervor. So liest sich sein Gedicht, das hier in angepasster Fassung wiedergegeben wird, wie ein Kommentar zu Prediger 1,2:
Andreas Gryphius (1616–1664)
Andreas Gryphius wurde am 2. Oktober 1616 in Glogau geboren und starb ebendort am 16. Juli 1664. Er wurde zu einem der bedeutendsten deutschen Dichter und Dramatiker des Barock. Seine Themen waren nicht zufällig Leiden und Gebrechlichkeit bzw. Vergänglichkeit des Lebens: Zwei Jahre vor Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges geboren, erlebte er seine Kindheit, Jugend und Erwachsenenzeit unter der Gewalt dieses Schreckens.
Gryphius verlor mit 4 Jahren seinen Vater und mit 12 Jahren die Mutter. Religionsverfolgung und die Zerstörung Glogaus prägten ihn. Dennoch erfuhr er eine gründliche Ausbildung und erwarb ab 1650 bis zu seinem Tod hohes Ansehen als Gelehrter und Dichter und hatte das Amt des Syndikus (Führung der Sitzungsprotokolle) der Landstände in Glogau inne.
Seine Gedichte thematisieren die Überwindung des irdischen Lebens und deren Vergänglichkeit in Hinblick auf eine Hoffnung auf ein ewiges Jenseits.
Resilienzstrategie: Das Los der Hoffnung
Zur Philosophie des Barocks gehört es, dass der Mensch nicht die Zeit zu beherrschen vermag noch das Leben selbst steuern könne. Er hat keine Gewalt über sich und über das Heute oder das Morgen. Eitel ist, wer festzuhalten sucht und dabei ignoriert, dass Beständigkeit allein in der Veränderung der Dauer liegt.
Übertragen auf das Heute ist jeder Fortschrittsgedanke eitel, Machtstreben, etwas erreichen zu wollen, nichtig und jeder Reichtum lediglich eine Vorstufe der Armut.
Dass alles vergänglich ist, man sich an nichts klammern kann und das Leben beständig im Fluss ist, scheint eine Binsenwahrheit zu sein, die aber jeden Tag ad absurdum geführt wird. Vergänglichkeit wird ignoriert und wir denken, dass wir ewig leben und unendlich viel Zeit haben. Vergänglichkeit wird zu einem anderen Wort für die Hoffnung, Beständigkeit zu erlangen. Doch negativ wird Vergänglichkeit dann, wenn sich das Herz an etwas klammert und hofft, es „ewig“ festhalten zu wollen.
Die Folgen des Vanitas-Gedankens beschreibt der Barock-Künstler ausführlich und vermittelt uns, dass Hoffnung nicht möglich sei. Dennoch weist er uns im gleichen Atemzug einen Ausweg, der anders ist als gehofft. Die letzte Zeile bei Gryphius lautet von daher zuversichtlich programmatisch: „Noch will was ewig ist kein einig Mensch betrachten!“ In Prediger 1,2 lautet es ebenfalls: „die Erde aber bleibt immer bestehen“.
Was ist damit anderes gemeint, als dass Ewigkeit auch in einer Zeit der Hoffnungslosigkeit Bestand hat? Ewig muss nicht definiert oder näher bestimmt werden. Es genügt zu sagen, dass Hoffnung immer möglich ist, selbst in der Unmöglichkeit.
In Herr der Ringe heißt es als Minas Morgul erwacht:
Pippin: Ich will in keine Schlacht ziehen. Aber auf eine zu warten, der man nicht entgehen kann, ist noch schlimmer. Gibt es noch Hoffnung, Gandalf, für Frodo und Sam?
Gandalf: Es bestand nie viel Hoffnung. Nur ein Narr konnte hoffen [...]
Pippin: Aber wir haben den weißen Zauberer. Das muss doch für irgendwas gut sein.
Wir haben keinen weißen Zauberer, denn auch dieser ist ratlos. Aber immer wird Hoffnung möglich sein, selbst dann, wenn der Zauberer zweifelt und Hobbits in ihrer Naivität ihn an dessen Bestimmung erinnern muss, dass er ein Hoffnungsträger ist.
Neben Hoffnung (3) können im Gedicht von Gryphius auch Hardiness (8) und Coping (10) als Bewältigungsstrategien amplifiziert werden.
Hendrik Goltzius (1558 - 1617): Quis evadet (Wer kann entrinnen?)
Hier noch ein Beispiel für den Vanitasgedanken aus der Bildenden Kunst. Leben und Tod, Zukunft und Vergänglichkeit bestehen nebeneinander und jeder, der auf Ewigkeit baut, baut auf Sand: „Was itzt so pocht und trotzt ist Morgen Asch und Bein.“
Kupferstich, 1594
Die frische Blume, leuchtend im Frühling und duftend,
verwelkt plötzlich und die Schönheit vergeht schnell.
So vergeht auch das Leben der eben Geborenen und
entflieht gleich einer Seifenblase aus leerem Dunst.
Weitere Literatur:
Quellen:
Bengel, Jürgen / Lyssenko, Lisa (2012): „Resilienz und psychologische Schutzfak toren im Erwachsenenalter – Stand der Forschung zu psychologischen Schutz faktoren von Gesundheit im Erwachsenenalter“. In: Forschung und Praxis der Gesundheitsförderung. Band 43. Köln: BZgA