8. Hardiness
Einführung: Hardiness (8) (Widerstandsfähigkeit)
Hardiness (8) bedeutet Widerstandsfähigkeit. Es geht darum, in verschiedenen privaten und gesellschaftlichen Lebensbereichen Sinn und Bedeutung zu finden, für eine aktive Teilhabe am Leben. Dazu gehört die Überzeugung, Situationen nicht hilflos ausgeliefert zu sein, sondern sie aktiv beeinflussen zu können. Hardiness betont die Bereitschaft zu aktivem und selbstverantwortlichem Handeln. Veränderungen und Anforderungen werden als Möglichkeit für Wachstum und Veränderung wahrgenommen.
„Hardiness“ (= Widerstandsfähigkeit) werden drei Komponenten zugeordnet:
Engagement (commitment),
Kontrolle (control) und
Herausforderung (challenge).
Hardiness wirkt sich positiv auf Arbeitsbelastung und traumatische Erlebnisse (wie Kriege) aus. Als Schutzfaktor kann Hardiness eine höhere Lebenszufriedenheit vermitteln, vor psychischen Schäden schützen und die Genesung von diversen Krankheiten unterstützen. Dazu Bengel / Lyssenko:
Mit Engagement wird eine Grundhaltung bezeichnet, in verschiedenen privaten und gesellschaftlichen Lebensbereichen Sinn und Bedeutung zu finden und darauf aufbauend, aktiv und interessiert an der Gestaltung dieser Lebensbereiche teilzuhaben. Der Aspekt Kontrolle bezieht sich auf die Wahrnehmung, Situationen nicht hilflos ausgeliefert zu sein, sondern aktiv beeinflussen zu können, betont aber auch die Bereitschaft zu aktivem und selbstverantwortlichem Handeln. Herausforderung beschreibt die Grundhaltung, Veränderungen und Anforderungen nicht als Bedrohung, sondern als Möglichkeit zu Wachstum und Weiterentwicklung wahrzunehmen. Die Kombination dieser drei Variablen sieht Maddi [...] als einen der bedeutsamsten Schutzfaktoren angesichts widriger Lebensumstände und kritischer Lebensereignisse an (Bengel / Lyssenko, 2012, 73).
Es gibt hinreichend Belege dafür, dass Hardiness einen schützenden Effekt haben kann, insbesondere bei schwerwiegenden Ereignissen.
Literaturbeispiel: Dshamilja (1958) von Tschingis Aitmatow
Sich von Fesseln zu befreien ist Thema des Autors Tschingis Aitmatow (1928–2008) aus Kirgistan.
In Dshamilja erzählt er die Liebesgeschichte von Dshamilja und Danijar aus der Sicht des 15-jährigen Said, dessen Schwägerin Dshamilja ist. Dshamilja ist unnahbar. Ihr Mann Sadyk kämpft als Soldat an der Front. Danijar, der als Frontrückkehrer und Teilinvalide helfen muss, ist ein Außenseiter, der ein Bein nachzieht. Täglich fahren Dshamilja und Danijar mit ihren Gespannen Getreide an den Bahnhof. Mit seiner zurückhaltenden, verschlossenen Art gelingt es Danijar die Aufmerksamkeit Dshamiljas zu gewinnen, zumal er auch noch singen kann und zwar Lieder der Sehnsucht nach Leben, Weite und Freiheit. Doch das ist es nicht allein, was Dshamiljas Aufmerksamkeit erregt. Beim täglichen Abladen trägt Danijar einen für ihn zu schweren Sack Getreide die Treppen hoch in den Speicher. Er strauchelt mehrmals, doch er will nicht aufgeben und schafft es schließlich. „Als er schließlich schwer atmend und hinkend die Treppe herunterkam, hingen seine Arme schlaff wie Peitschenhiebe herab. Alle machten ihm schweigend Platz.“ Lange Zeit ist unklar, was dies in Dshamilja auflöste. Doch scheint es, als ob genau dies die Wende einleitete und sie verlieben sich, von den anderen unbemerkt, ineinander. Als Dshamiljas Mann von der Front zurückkommt, fliehen beide in ein gemeinsames Leben, folgen zusammen einer unbestimmten Sehnsucht: „Wo mögt ihr jetzt sein“ [...], welche Straße wandert ihr entlang? Bei uns gib es viele neue Straßen in der Steppe [...]“ Ihr Aufbruch ist mehr als ein Weggang, denn sie verlassen nicht nur das Dorf, sondern brechen auch mit der Tradition. Und Said wird das Dorf verlassen, um als Künstler zu leben.
Tschingis Aitmatow
Tschingis Aitmatow wird 1928 im Dorf Scheker im Talas-Tal in Kirgisien geboren. In Moskau besucht er die Schule. Seine Familie flieht vor stalinistischen Repressionen nach Kirgisien. 1942 muss Aitmatow die Schule verlassen und in der Verwaltung des Dorfes und des Kreises arbeiten. Nach dem Krieg holt er den Schulabschluss nach. Er studiert ab 1946 an der kirgisischen landwirtschaftlichen Hochschule in Frunse (heute: Bischkek) und schließt das Studium 1953 ab. Aitmatow ist ab 1951 journalistisch tätig und wechselt 1956 ans Maxim-Gorki-Literaturinstitut in Moskau, wo er einen zweijährigen Lehrgang für junge Autoren besucht. Als Abschlussarbeit verfasst er 1958 die von Louis Aragon als „schönste Liebesgeschichte der Welt“ bezeichnete Erzählung Dshamilja, die seinen weltweiten literarischen Ruhm begründet.
1959 wird er Chefredakteur der Zeitung Literaturnaja Kirgizija (Literarisches Kirgisien). Ab 1960 ist Aitmatow für die Zeitung Prawda als Sonderkorrespondent in Mittelasien und Kasachstan tätig. 1963 wird er mit dem Lenin-Preis für Literatur und Kunst ausgezeichnet, 1968 mit dem Staatspreis der UdSSR. Ab 1967 ist er im Redaktionsbeirat der Zeitschrift Novyj Mir tätig, ab 1974 zudem als Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Kirgisien. Von 1988 bis 1990 ist Aitmatow Vorsitzender des Schriftstellerverbandes in Kirgisien. 1989 wird er Abgeordneter des Volksdeputiertenkongresses und des Obersten Sowjets, Ende 1989 Gorbatschows Berater. 1990 geht er als Botschafter der UdSSR nach Luxemburg. Im gleichen Jahr erscheint die Erzählung Die weiße Wolke des Tschinggis Chan und ein Jahr später der Dialogband Begegnung am Fudschijama mit Daisaku Ikeda. Von 1995 an ist er Botschafter der Republik Kyrgiyzstan in Brüssel. 1998 erscheinen seine Erinnerungen Kindheit in Kirgisien. Sein letzter Roman Der Schneeleopard wird 2006 auf Deutsch veröffentlicht.
Am 10. Juni 2008 verstirbt Tschingis Aitmatow im Alter von 79 Jahren in Nürnberg.
Weitere Resilienzfaktor
Optimismus (2)
Hoffnung (3)
Selbstwertgefühl (5)
Resilienzstrategie
Dshamilja und Danijar verkörpern, wenn auch unbestimmt, Hoffnung, dass es immer ein Leben geben wird, ein Leben, das getragen werden kann von einer gefundenen Liebe der entdeckten Gemeinsamkeit. Der Punkt, an dem die Beachtung in Liebe umschlägt, ist wohl der, als Danijar nicht aufgibt, ehe er den schweren Getreidesack hach oben geschleppt hat, trotz seiner Behinderung. Es ist diese sanfte Gewalt gegen sich und gegen die Umgebung, die plötzlich etwas bewirken kann, das eingefahrene Sichtweisen neu zu beleben hilft.
Im Film „9 ½ Wochen“ fällt der Satz: „Es ist der Moment, wo etwas so vertraut ist, dass es fremd ist.“ Momente, die wir sehr genau kennen, Situationen, die wir täglich gleich erlebt haben, Menschen, die uns seit Jahren vertraut scheinen ... all das kann uns fremd werden. Fremd, weil wir etwas wahrnehmen, das wir zuvor so nicht geschaut haben. Wir sind einen Blickwinkel gewohnt. Doch das Leben verschiebt unsere Perspektive immer wieder. Unmerklich und unablässig geschieht eine Verwandlung, die neben vielfältigen Sichtweisen auch verschiedenartige Individualitäten von uns selbst bildet. Wir leben in einem Spiel der Transformation, das keinem ausschließlichem Wahr oder Falsch gehorcht, sondern einer sich wechselnden Perspektive unterliegt. Damit wird Widerstandsfähigkeit lebendig in das Leben integrierbar. Das Leben ist eben kein „Streichelzoo“. Es ist vielmehr ein Hort der Veränderung. Und dafür bedarf es neben der Widerstandsfähigkeit (auch gegen sich selbst) Optimismus (2), Hoffnung (3) und eines gewissen Selbstwertgefühls (5).
„Jeder Kreatur bleibt das eigene Schicksal verschlossen. Niemand weiß, was ihm bevorsteht. Erst der Gang des Lebens zeigt an, was uns von Geburt an vorbestimmt ist, sonst gäbe es das Schicksal nicht. Dennoch lebt in uns die Sehnsucht, die Rätsel zu entschlüsseln, die uns umhüllen. So ist es seit Anbeginn der Schöpfung, seit der Vertreibung von Adam und Eva aus dem Paradies. Seit dem ersten Menschenpaar ist es so gefügt. Von Jahrhundert zu Jahrhundert, von Tag zu Tag, von Stunde zu Stunde …Auch dieses Mal vollzog sich das Unausweichliche jenseits menschlicher Vorstellungskraft und, einmal vollzogen, vielleicht auch jenseits göttlicher Absichten.“ (Aitmatow, Der Schneeleopard)
Literatur
Tschingis Aitmatow: Dshamilja. Frankfurt 1988.
Bengel, Jürgen / Lyssenko, Lisa (2012): „Resilienz und psychologische Schutzfak toren im Erwachsenenalter – Stand der Forschung zu psychologischen Schutz faktoren von Gesundheit im Erwachsenenalter“. In: Forschung und Praxis der Gesundheitsförderung. Band 43. Köln: BZgA