Resilienz und Literatur

Aus Resilienz-Literatur

Resilienz und Literatur

Was ist Resilienz?

Manche Menschen gehen mit einem Grundvertrauen durchs Leben und sind in der Lage, Krisensituationen zu meistern; andere werden von Kleinigkeiten aus der Bahn geworfen. Einige haben Strategien entwickelt, die ihnen helfen, den Alltag zu bewältigen und mit widrigen Situationen zurecht zu kommen, meist ohne dass es ihnen bewusst ist, andere scheitern. Medizin und Pädagogik haben einen Begriff für diesen Widerstand gegen die Widrigkeiten des Lebens geprägt: Resilienz.

Jeder Mensch verfügt aber über psychologische Schutzfaktoren, die ihm helfen, sich Herausforderungen zu stellen. Schutzfaktoren sind beispielsweise positive Emotionen, Optimismus, Selbstwirksamkeitserwartung, Religiosität und Spiritualität, Coping oder soziale Unterstützung, um nur einige zu nennen. Resilienz kann in verschiedenen Lebenssituationen beobachtet worden. Ein Teil unserer Lebenswelt, der bisher kaum beachtet wurde, ist die enge Verbindung von Resilienz und Literatur.

Warum Resilienz und Literatur?

Jeder Text, jedes Buch, jeder Roman, jedes Gedicht oder jeder Film trägt Resilienzaspekte in sich. Literatur beruht nicht nur auf Fantasie und Erfindung, sondern auch auf Lebenserfahrung, die verarbeitet wurde und kreativ genutzt werden kann.

Literatur bietet die Möglichkeit, durch Romane oder Erzählungen, Gedichte oder Kurzgeschichten sich selbst zu spiegeln und dabei stellvertretend jemand anderen verschiedene Situationen erleben zu lassen. Dadurch können Strategien und Lösungen für Lebenssituationen abgeleitet werden, die einen belasten, beispielsweise um Schicksalsschlägen angemessen zu begegnen. Literatur ist ein idealer Helfer und Ratgeber gerade wenn es darum geht, psychische Situationen zu meistern.

Jeder kann über Literatur oder Filme seine seelische Widerstandskraft entdecken und stärken. Jeder kann in diesem Gegenüber etwas erkennen, das ihm persönlich hilft und Mut macht, eine Krise zu bestehen. So können Strategien und Lösungen, Auswege und Hilfen für sich selbst in der Literatur gefunden werden. Literatur stellt einen breiten Ideenpool an Möglichkeiten zur Erforschung von Resilienz und Resilienz-Strategien bereit. In ihr bilden sich soziologische, psychologische, medizinische, philosophische, pädagogische usw. Aspekte ab, die zur Resilienzforschung beitragen bzw. Erfolg und Scheitern erkennen lassen. Was bisher fehlt ist die Erschließung dieses Ideenpotenzials für die Anwendung im und für den Menschen.

Was ist das Ziel von Resilienz und Literatur?

Ziel ist es, Antworten aus der Literatur zu finden, um Lösungen und Strategien für Lebenskrisen zu entwickeln. Hierfür bedarf es einer Sichtung geeigneter Literatur. Voraussetzung ist die Anwendung eines zuvor erarbeiteten Kriterienkataloges zur Resilienz-Problematik. Dieser Katalog wird aus der jahrzehntelangen Resilienz Forschung gewonnen. Die Verbindung von Pädagogik und Literaturwissenschaft bzw. Gesundheitsforschung und Eigenwahrnehmung in Hinblick auf Krisen und deren Bewältigungsstrategien kann durch die Vermittlung von Literatur zu einer Neujustierung im Umgang mit fiktionaler Literatur führen. Das kann Auswirkungen auf die Professionalisierung des Bildungsprozesses sowie in Hinblick auf Kultur, Wirtschaft, Unternehmen usw. haben.

Zusatz:

Es handelt sich hier weder um einen therapeutischen Ansatz noch um einen medizinischen oder psychologischen. Es geht um die Anwendung gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse der Resilienz-Forschung auf Literatur, also um Anregungen, Ideen, Möglichkeiten, Planspiele, Strategien, die eigenverantwortlich zu nutzen sind.

Buchempfehlung

Wolfram Frietsch: „Wilhelm Meister, Anton Reiser und Ich" – Versuch über Resilienz in der Literatur.

„Resilienz“ ist inzwischen ein Modewort. Doch das Phänomen „Resilienz“ existiert bereits vor seinem Begriff, und zwar als eine Grundeigenschaft des Menschen. Die Resilienzforschung arbeitet seit den 1950er-Jahren psychische „Schutzfaktoren“ heraus, um Belastungen durch Stresssituationen zu mindern und Widerstandskräfte aufzubauen. Auch und gerade in literarischen Texten finden sich Resilienzaspekte. Literatur stellt ihrerseits einen Ideenpool zur Erforschung von Resilienz-Strategien bereit. Solche Strategien in der Literatur aufzuarbeiten, ist Grundlage dieser Untersuchung. An den Bildungsromanen Anton Reiser und Wilhelm Meisters Lehrjahre kann das beispielhaft gezeigt werden. Die Aufarbeitung von literarischen Resilienz-Strategien weist neue Wege.

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„Ziel der Resilienzforschung ist es, Schutzfaktoren zu identifizieren, Modelle zum Zusammenwirken dieser Faktoren zu erstellen und – darauf aufbauend – Interventions- und Präventionsansätze zur Stärkung von Schutzfaktoren zu entwickeln.“ (Bengel et. al.: Resilienz und psychologische Schutzfaktoren im Erwachsenenalter, 28)

Bericht über Resilienz und Literatur, Badisches Tagblatt, Freitag, den 27. Januar 2023, von Franz Vollmer (Redakteur)

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